St. Marien Hospital Eickel - Dissoziative Störungen
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Dissoziative Störungen

Dissoziative Störung ist ein Oberbegriff für psychiatrische Krankheitsbilder, bei denen Betroffene auf sehr belastende Erlebnisse mit der Abspaltung (lat. Dissoziation) von Erinnerungen, Empfindungen oder gar ganzen Persönlichkeitsanteilen reagieren. Erleben und Handeln stehen nicht mehr im Einklang zueinander. In der Regel treten dissoziative Störungen phasenweise auf. Sie kommen oft im Zusammenhang mit Angststörungen, Depressionen oder Borderline-Persönlichkeitsstörungen vor. Erstmals treten die Störungen meist vor dem 30. Lebensjahr auf, bei Frauen dreimal häufiger als bei Männern. Folgende Arten von dissoziativen Störungen werden unterschieden:

Derealisation

Wer an einer Derealisation leidet, empfindet seine Umgebung als fremd. Sie erscheint dem Betroffenen plötzlich unwirklich oder weit entfernt, wie hinter einer Glasscheibe oder im Nebel. Er erlebt sich selbst abgeschnitten von dem Geschehen um ihn herum.

Dissoziative Amnesie

Betroffene, die an einer dissoziativen Amnesie (griech. a mnesis = ohne Erinnerung) leiden, können sich an einzelne Lebensereignisse oder gar ganze Lebensabschnitte nicht erinnern. Meistens tritt die Amnesie im Zusammenhang mit einem traumatischen Ereignis, z. B. einem Unfall, auf. Der Erinnerungsverlust betrifft in der Regel nur bestimmte Momente des belastenden Ereignisses oder der Zeit danach. Die betroffene Person kann sich nicht mehr oder nur noch bruchstückhaft daran erinnern.

Depersonalisation

Von Depersonalisation ist die Rede, wenn eine Person sich selbst als entfremdet und unwirklich wahrnimmt. Menschen, die von dieser dissoziativen Störung betroffen sind, nehmen beispielsweise ihren Körper nicht oder nur wie betäubt wahr. Manche Betroffene erleben zudem Sinnesveränderungen, das heißt sie hören, fühlen oder schmecken anders als gewöhnlich. Einige haben gar das Gefühl, sich von außen zu sehen. Teilweise tritt auch ein Gefühl der Automaten- oder Roboterhaftigkeit auf.

Dissoziative Identitätsstörung

Die dissoziative Identitätsstörung ist die schwerste Form der dissoziativen Störungen. Sie ist auch als Multiple Persönlichkeitsstörung bekannt. Hierbei ist die Persönlichkeit des Betroffenen in verschiedene Teile gespalten. Die verschiedenen Persönlichkeitsanteile unterscheiden sich meist stark voneinander. Jeder hat ein eigenes Gedächtnis, eigene Vorlieben und eigene Verhaltensweisen. Sie treten nie zur gleichen Zeit auf, sondern wechseln einander ab. Es ist sogar möglich, dass die Persönlichkeitsanteile verschiedene Altersstufen oder Geschlechter für sich beanspruchen. Die dissoziative Identitätsstörung tritt meist infolge von schweren Missbrauchserfahrungen auf.

Dissoziative Fugue

Menschen, die an einer Dissoziativen Fugue (franz. fugue = Flucht) leiden, entfernen sich plötzlich aus der gewohnten Umgebung und nehmen eine neue Identität an. Die plötzliche Flucht entsteht nicht aus Reise- oder Abenteuerlust, sondern ist vom Willen des Erkrankten unabhängig. Während der Fugue sind sie unsicher, wer sie sind und können sich an ihr vorheriges Leben nicht mehr oder nur teilweise erinnern. Einige Betroffene nehmen während dieser Phase, die von ein paar Stunden bis zu mehreren Monaten dauern kann, eine neue Identität an. Bei einer Rückkehr in ihr früheres Leben haben sie meist keine Erinnerungen mehr an ihren Weggang.

Dissoziativer Stupor

Menschen, die an einem dissoziativen Stupor (lat. stupor = Erstarrung) leiden, reagieren auf ein traumatisches Ereignis indem sie sich kaum oder gar nicht mehr bewegen, nicht mehr sprechen und nicht auf Licht, Geräusche oder Berührungen reagieren. In diesem Zustand ist es kaum möglich, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Die Person ist jedoch nicht bewusstlos, denn die Muskeln erschlaffen nicht und die Augen bewegen sich.

Ursachen

Dissoziative Störungen sind ein Schutzmechanismus der Psyche. Gefühle und Erfahrungen, die der Betroffene nicht in sein Selbstbild integrieren oder emotional verarbeiten kann, werden abgespalten. Forscher gehen davon aus, dass verschiedene Faktoren dissoziative Störungen begünstigen. Allen voran sind negative Erfahrungen in der frühen Kindheit, wie Gewalt oder Missbrauch, Auslöser für das Entwickeln von dissoziativen Störungen. Darüber hinaus spielt einerseits eine genetische Veranlagung eine Rolle, aber auch wie leichtgläubig und empfänglich für geistige Beeinflussung eine Person ist.

Diagnose

Für die Diagnose einer dissoziativen Störung ist ein ausführliches Gespräch zwischen Arzt und Betroffenem (Anamnese) von zentraler Bedeutung. Der Arzt orientiert sich dabei an speziellen Fragebögen und achtet im Gespräch auf mögliche Anzeichen für eine dissoziative Störung, wie etwa Erinnerungslücken.

Um eine dissoziative Störung diagnostizieren zu können, müssen organische Ursachen ausgeschlossen werden. Denn einige Symptome können auch durch Epilepsie, Tumore im Gehirn oder andere Erkrankungen ausgelöst werden. Der Arzt untersucht daher zum Beispiel die Geruchs-, Seh- und Geschmacksnerven sowie die Bewegungsabläufe und Reflexe.

Behandlung

Je nach Schweregrad, Dauer und Ausprägung der Symptome erfolgt die Behandlung dissoziativer Störungen ambulant, tagesklinisch oder stationär.

Psychoedukation

Zu Beginn der Behandlung erfolgt die Psychoedukation. Der Therapeut klärt den Betroffenen umfassend über seine Erkrankung und die Ursachen auf, selbst wenn er nicht ansprechbar ist. Dabei ist es wichtig, dem Erkrankten zu erklären, dass es sich bei einer dissoziativen Störung um einen Schutzmechanismus der Psyche handelt. Außerdem muss er wissen, dass das Hervorholen und damit Wiedererleben der traumatischen Erfahrung, die die Störung ausgelöst hat, Teil der Behandlung ist.

Symptomreduktion

Je nach Art der dissoziativen Störung müssen erst die Symptome reduziert werden, bevor die eigentliche Störung therapiert werden kann. Dies ist vor allem bei Störungen mit Sinnes- oder Bewegungseinschränkungen der Fall. Zur Symptomreduktion eignen sich zum Beispiel Krankengymnastik, verschiedene ergotherapeutische Verfahren sowie in manchen Fällen auch der Einsatz von Medikamenten.

Psychotherapie

Kern der Behandlung von dissoziativen Störungen ist die Psychotherapie. Diese erfolgt in zwei Phasen:

  1. In der ersten Therapiephase geht es darum, den Betroffenen emotional zu stabilisieren. Erst wenn der Patient sich körperlich und geistig sicher fühlt, können die eigentlichen Ursachen angegangen werden. Im weiteren Verlauf der Therapie lernt der Betroffene, seine Gefühle bewusst wahrzunehmen und Spannungszustände rechtzeitig abzubauen. Außerdem lernt er, Hinweise auf eine kommende dissoziative Störung rechtzeitig zu erkennen und erlernt Strategien, um dagegen vorzugehen.
  2. In der zweiten Phase werden die Traumata bearbeitet. Ziel ist es, die abgespaltenen Erfahrungen wieder hervorzuholen und emotional zu verarbeiten. Dabei kann die Kreativtherapie eine sinnvolle Ergänzung sein, um sich an das Trauma langsam heranzutasten und das Erlebte zunächst ohne Worte zum Ausdruck zu bringen. Es wird darauf hingearbeitet, dass der Betroffene seine Erinnerungen ausspricht und Zugang zu den abgespaltenen Erfahrungen gewinnt. Indem er sie ausspricht, gewinnt er Kontrolle und Distanz. Das traumatische Geschehen wird weniger bedrohlich, und die betroffene Person kann ihr Abwehr- und Vermeidungsverhalten nach und nach aufgeben und alternative Bewältigungsstrategien erlernen.

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